Im Zusammenhang mit der Optimierung von Wartungsplänen liest man häufig den Ausdruck „Preventive Maintenance“.

Was ist eigent­lich Preven­tive Mainten­ance?

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Im Zusam­men­hang mit der Optimie­rung von Wartungs­plänen liest man häufig den Ausdruck „Preven­tive Mainten­ance“. Dieser Beitrag erklärt, was sich dahinter verbirgt und wie man ein Preven­tive Mainten­ance auf Basis von histo­ri­schen Ausfall­daten reali­siert.

Ein sehr bekanntes und altes Beispiel für Preven­tive Mainten­ance ist der Keilriemen im Auto, welcher die Rotation der Kurbel­welle des Motors auf verschie­dene Neben­ag­gre­gate überträgt. Beson­ders wichtig ist die Versor­gung der Licht­ma­schine, welche viele elektri­schen Kompo­nenten des Autos mit Strom versorgt, aber auch die Versor­gung der Hydrau­lik­pumpe, der Wasser­pumpe, der Servo­len­kung, der Lüftung und der Klima­an­lage.

Zurück zum Preven­tive Mainten­ance: Erfah­rungen haben gezeigt, dass ein Keilriemen durch­schnitt­lich etwa 100.000 Kilometer hält. Die Laufzeit ist aller­dings abhängig von unter­schied­li­chen Einflüssen, wie z.B. der Leistung des Motors, dem Alter des Keilrie­mens und der Anzahl von Start/­Stopp-Vorgängen. Ohne diese Einflüsse genau zu kennen, beauf­schlagt man die durch­schnitt­liche Lebens­dauer des Keilrie­mens mit einem Sicher­heits­faktor. Der Sicher­heits­faktor muss ebenfalls berück­sich­tigen, dass ein geris­sener Keilriemen zu einem erheb­li­chen Motor­schaden führen kann. Wir setzen beispiels­weise den Sicher­heits­faktor auf γ=0,8 und tauschen den Keilriemen etwa alle γ⋅100.000=80.000 Kilometer aus und nutzen dafür die vom Hersteller empfoh­lenen Inspek­ti­ons­ter­mine. Natür­lich können einzelne Keilriemen auch 120.000 oder 150.000 Kilometer halten aber mit dem voraus­schau­enden Austausch bzw. mit der vorbeu­genden Wartung (engl.: Preven­tive Mainten­ance) minimiert man das Risiko eines Motor­scha­dens, ohne es ganz auszu­schließen. Bei der Festle­gung des Sicher­heits­fak­tors muss auf der einen Seite der poten­ti­elle Motor­schaden berück­sich­tigt werden; auf der anderen Seite der Aufwand bzw. die Werkstatt­kosten für den Austausch des Keilrie­mens.

Das Beispiel lässt sich auf alle mecha­ni­schen (und elektro­ni­schen) Geräten übertragen. Typischer­weise kennt man erwar­teten Lastzy­klen von Kugel­lager, die durch­schnitt­liche Brenn­dauer von Glühlampen oder die Lebens­dauer von Dicht­ringen. Diese Kompo­nenten werden verbaut in Zügen, in Flugzeugen, in Genera­toren, in Robotern, in Aufzügen, in Kraft­werken, in Fahrrä­dern usw. und das in jedem Land der Welt. Diese vielen Millionen Kompo­nenten machen ein effek­tives Preven­tive Mainten­ance wichtig, um Beschä­di­gungen und Ausfälle der Anlagen zu vermeiden.

Wie funktio­niert nun Preven­tive Mainten­ance? Das Beispiel des Keilrie­mens hat das eigent­lich schon ganz gut gezeigt: man braucht histo­ri­sche Ausfall­daten für den betrach­teten Anlagentyp bzw., wie im Beispiel des Keilrie­mens, histo­ri­sche Ausfall­daten des betrach­teten Bauteils. Möchte man die Berech­nung für eine neuar­tige Anlage durch­führen, kann man Erkennt­nisse aus den verbauten Kompo­nenten aggre­gieren bzw. die Anlage in unter­schied­li­chen praxis­nahen Versu­chen im Labor zu testen.

Wie beim Keilriemen existieren in der Praxis mehrere Zeitdi­men­sionen, welche die Ausfall­in­ter­valle der Anlage beschreiben. Nehmen wir als Beispiel ein Auto, welches nur selten gefahren wird. In diesem Fall wird der Keilriemen irgend­wann porös und hält ggf. nur 50.000 Kilometer oder weniger. In einem anderen Beispiel wird das Auto täglich mehrfach bewegt (z.B. bei einem Zustell­fahr­zeug der Post), wodurch der Keilriemen ebenfalls nach 50.000 Kilometer reißen kann. Man unter­scheidet eine mittlere Fahrzeit zwischen zwei Wechseln (Mean Time Between Removal, MTBR), eine mittlere Zeitdauer zwischen zwei Wechseln (Mean Duration Between Removal, MDBR) und eine mittlere Anzahl an Start/­Stopp-Vorgängen zwischen zwei Wechseln (Mean Cycles Between Removal, MCBR). Abhängig von der Anwen­dung sind weitere Zeitdi­men­sionen denkbar. Ein spezi­fi­sches Ausfall­in­ter­vall ergibt sich als Linear­kom­bi­na­tion der einzelnen Zeitdi­men­sionen, deren Koeffi­zi­enten sich aus einem Optimie­rungs­al­go­rithmus ergeben. Typischer­weise nutzen wir für diese Aufgabe eine Meta-Heuristik wie das Simulated Annealing, welches in endli­cher Zeit in einem guten (lokalen) Optimum konver­gieren.

Im nächsten Schritt muss festge­legt werden, welche Situa­tionen einen Einfluss auf den Ausfall der Anlage / der Kompo­nente haben können. Dazu empfiehlt es sich, Experten aus der Entwick­lung und der Produk­tion sowie ggf. auch Anwender zu befragen. Liegen zu viele Einflüsse vor, lassen sich diese durch statis­ti­sche Verfahren zum Feature Selec­tion reduzieren. Alter­nativ kann der Infor­ma­ti­ons­ge­halt der Einflüsse durch eine Haupt­kom­po­nenten- oder eine Fakto­ren­ana­lyse verdichtet werden. Beim Keilriemen sind das typischer­weise die durch­schnitt­liche Geschwin­dig­keit des Riemens, die Qualität des Materials, die Umgebungs­tem­pe­ra­turen (vielleicht hält ein Keilriemen in Norwegen länger als in Saudi-Arabien? oder kürzer?) und weitere.

Aus den Einfluss­größen muss nun ein Regel­werk abgeleitet werden, um ein spezi­fi­sches Ausfall­ver­halten vorher­sagen zu können. Dazu verwendet man üblicher­weise statis­ti­sche Entschei­dungs­bäume bzw. das Machine-Learning-Verfahren Random Forest. Beide Verfahren bringen die Einflüsse in Abhän­gig­keit ihres Infor­ma­ti­ons­ge­haltes in eine abstei­gende Reihen­folge und trennen in jeder Baumebene die Ausprä­gungen wie in der folgenden Abbil­dung schema­tisch darge­stellt ist. Um eine maximale Flexi­bi­lität bei der Berück­sich­ti­gung und Kombi­na­tion aller Einflüsse und Zeitdi­men­sionen zu errei­chen, haben wir für unsere Kunden auch indivi­du­elle Algorithmen zur Aufspan­nung der Bäume imple­men­tiert.

Was ist eigentlich Preventive Maintenance?

Abbil­dung 2: schema­ti­sche Darstel­lung eines Entschei­dungs­baumes zur Umset­zung eines Preven­tice Mainten­ance für Keilriemen

In jedem Knoten des Baumes stehen mittlere Zeiten (für drei Zeitdi­men­sionen) aus allen histo­ri­schen Ausfällen, welche die Krite­rien des betrach­teten Astes erfüllen. Der darge­stellte Baum wurde nicht vollständig ausge­bildet (man spricht von Prunning), weil beispiels­weise nur wenige Daten von Hersteller 5 vorlagen. Der Unter­schied zwischen den tatsäch­li­chen Abständen zwischen zwei Wechseln und den berech­neten Zeiten im entspre­chenden Knoten des Baumes bestimmen die Qualität des Baumes.

Aus dem Baum kann man nun für eine spezi­fi­sche Einsatz­si­tua­tion des Bauteils bzw. der Kompo­nente eine typische Lebens­dauer ablesen. Wie oben beschrieben, empfiehlt es sich, die Zeiten mit einem Sicher­heits­faktor zu beauf­schlagen, welcher die Kosten für einen Ausfall und die Kosten für einen Austausch berück­sich­tigen sollte. Ebenfalls sollten dem Progno­se­mo­dell aktuelle Ausfall- bzw. Austausch­in­for­ma­tionen präsen­tiert werden, um verän­derte Umgebungs­be­din­gungen bei der Prognose berück­sich­tigen zu können.

Zur Erhöhung der Progno­se­qua­lität können entweder weitere statis­ti­sche Merkmale berück­sich­tigt werden oder mit Hilfe von Sensoren Daten vom spezi­fi­schen Keilriemen (dem spezi­fi­schen Serial) erfasst werden. Beispiels­weise könnte man mit einem akusti­schen Sensor die Laufruhe des Keilrie­mens messen. Werden Sensoren zur Messung der aktuellen Beschaf­fen­heit des Bauteils einge­setzt, so spricht man von „Predic­tive Mainten­ance“. Wie Predic­tive Mainten­ance funktio­niert soll in einem unserer nächsten Blogbei­träge erklärt werden.

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Björn Piepen­burg

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